Textbasierte Investitionssignale

17.01.2023

Deka Institutionell

Autoren

Prof. Dr. Dominik Wolff

Abstract

Elon Musk übernimmt Twitter. Volkswagen schränkt die Produktion in China ein. Unilever erhöht die Umsatzprognose. An den Finanzmärkten müssen Tag für Tag unzählige Nachrichten wie diese verarbeitet werden. Es ist eine Informationsflut, die ohne Unterstützung durch technische Hilfsmittel immer schwieriger zu bewältigen ist. Dabei können aus den Informationen über Unternehmen und Aktien in der Regel wichtige Erkenntnisse für Anlageentscheidungen gewonnen werden.

Dass Finanznachrichten eine wesentliche Rolle bei der Preisbildung von Vermögenswerten spielen, wurde in wissenschaftlichen Studien, etwa von Kearney und Liu (2014), bestätigt. „Es gibt einen breiten Konsens darüber, dass die Stimmung zu einem Unternehmen in den Medien sowohl die Aktienrenditen als auch das Aktienhandelsvolumen stark beeinflusst“, bestätigt Dr. Dominik Wolff, Head Quant Research / Asset Allocation bei der Deka.

Doch der Grad des Einflusses einer Finanznachricht auf die Aktienkurse ist sehr unterschiedlich. Die Frage ist daher, welche Nachrichten wichtig sind und welche eher weniger. Und wie aus den Nachrichten konkrete Investitionssignale generiert werden können. Ein wichtiges Instrument, um diese Fragen zu beantworten und die Relevanz von Nachrichten zu bestimmen, ist das Natural Language Processing, kurz NLP.

Interpretation mithilfe von Künstlicher Intelligenz.

Als Teilbereich der Künstlichen Intelligenz ermöglicht NLP es, aus der großen Menge von Daten, mit denen Marktteilnehmer tagtäglich konfrontiert werden, Textinformationen maschinell zu erfassen und mithilfe von Algorithmen zu verarbeiten und zu interpretieren. Konkret können im Idealfall somit genau die Informationen extrahiert werden, die für die künftige Wertentwicklung einzelner Investments wahrscheinlich von erheblicher Bedeutung sind.

Zusammen mit der Universität Freiburg hat die Deka in einer umfangreichen Analyse untersucht, wie Nachrichtenartikel genutzt werden können, um daraus Sentiment-Scores für Einzelaktien sowie für ganze Sektoren zu berechnen. Wie also ist die Bewertung bzw. die Wahrnehmung zu einem Unternehmen, wie zu bestimmten Branchen? Dazu wurden unterschiedliche News-Quellen, unter anderem CNN, Bloomberg und Reuters, sowie Unternehmensberichte über einen Zeitraum von drei Jahren ausgewertet und analysiert, die Unternehmen des Index S&P 500 betrafen.

„Um die Relevanz einer Nachricht für ein spezifisches Unternehmen einzuschätzen, wurde die Ähnlichkeit einer Nachricht mit der betreffenden Unternehmensbeschreibung berechnet“, erläutert Dr. Wolff. Die Experten nutzten dafür eine Methodik aus dem NLP-Bereich, das sogenannte BERT-Modell (Bidirectional Encoder Representations from Transformers). BERT, das 2018 von Google veröffentlicht wurde, basiert auf neuronalen Netzwerken und ist in der Lage, aus ihrem Kontext auf die Bedeutung von Wörtern zu schließen.

Sentiment-Scores geben Hinweise.

Neben der Relevanz eines Nachrichtenartikels für jedes Unternehmen im S&P 500 wurde zusätzlich das Sentiment eines jeden Artikels berechnet. „Dabei haben wir positiven und negativen Signalwörtern positive und negative Scores zugewiesen“, sagt Dr. Wolff. Zu den positiven Signalwörtern gehörten beispielsweise „stabil“, „profitabel“, „Fortschritt“ oder „kompetent“. Dagegen wurden Begriffen wie „Fehler“, „Problem“, „Engpass“ oder „aufgeben“ negative Scores zugeteilt. „Durch einfaches Wörterzählen wurde dann ein Sentiment-Score für jeden Nachrichtenartikel berechnet“, beschreibt der Deka-Experte das Vorgehen.

Anschließend wurden die Relevanz und Sentiment-Scores durch einfache Multiplikation beider Größen verknüpft. Da das Sentiment von Tag zu Tag variieren kann, wurde ein Mittelwert gebildet, um stabilere Signale zu erhalten.

Letztendlich wurden die Ergebnisse auf Sektor-Ebene mittels kostengünstiger und hochliquider ETFs in verschiedene Strategien umgesetzt. Das bemerkenswerte Ergebnis: Die Sentiment-basierte Sektor-Strategie erzielte im Beobachtungszeitraum Dezember 2018 bis Mai 2022 gegenüber Anlagen in Indexfonds auf dem breiten S&P 500 eine deutliche Outperformance. Konkret erreichte die Sektor-Strategie eine Rendite p. a. von 21,1 Prozent, während der S&P 500 „nur“ um 11,9 Prozent p. a. zulegen konnte, und das bei nahezu identischer Volatilität.

Die Sharpe Ratio stieg von 0,52 im S&P 500 auf 0,95 bei der Sektor-Strategie. Auch der maximale Verlust der Strategie war geringer als bei der Benchmark. Gegenüber einfachen Momentum- und Reversal-Ansätzen war die Sektor-Timing-Strategie ebenfalls deutlich überlegen. Die Momentum-Strategie investierte in die drei Sektoren mit der höchsten Rendite in den vergangenen drei Monaten, während die Reversal-Strategie auf die drei Sektoren mit der schwächsten Performance in den vergangenen drei Monaten setzte.

Als Beimischung für institutionelle Investoren geeignet.

„Die von uns aufgezeigte Sektor-Strategie ist durch eine einfache Umsetzung über ETFs oder Futures sowohl für kleine als auch für große institutionelle Investoren interessant und grundsätzlich als Beimischung für verschiedene Portfoliostrategien geeignet“, zieht Dr. Wolff ein Fazit. Anders als bei einzeltitelbasierten Machine-Learning-Ansätzen zeichne sich der Sektor-Ansatz vor allem durch eine robustere Gewichtsallokation sowie eine geringere Anzahl an investierten Titeln bei gleichzeitiger Diversifikation aus.

Darüber hinaus können institutionelle Investoren die Strategie nach Ansicht Wolffs auch im Spezialfondsmantel oder als Ergänzung zu einem bestehenden Portfolio im Rahmen eines Overlays anwenden. Die Umsetzung könnte hier über Sektor-Futures oder Sektor-ETFs erfolgen. Auch eine marktneutrale Umsetzung – unabhängig von den Marktbewegungen – sei möglich. Hierbei können die Investitionen in die Top-Sentiment-Sektoren durch eine Short-Position im S&P 500 Future ergänzt werden.

Die Analyse zeigt eindrucksvoll, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz – und hier speziell der Textanalyse – durch die Erweiterung um zusätzliche Parameter wichtige Erkenntnisse für die Kapitalanlage bringen und eine sinnvolle Ergänzung bestehender Anlagestrategien sein kann. Solche Analysen der Kapitalmarktforschung dürften deshalb künftig immer stärker in konkrete Investmentstrategien einfließen.

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